mardi 18 novembre 2008

Nestlés Spionage im Kampf ums Wasser

Nestlés Spionage im Kampf ums Wasser

Von Michael Meier. Aktualisiert am 18.11.2008 3 Kommentare

Im Spionagefall bei Attac lieferte Securitas Nestlé Material über den Wasser-Aktivisten Franklin Frederick. Mit Schweizer Hilfe kämpft der Brasilianer gegen die Privatisierung des Wassers.

Franklin Frederick: Der Wasser-Aktivist verursacht Kopfschmerzen in der Nestlé-Führung.

Franklin Frederick: Der Wasser-Aktivist verursacht Kopfschmerzen in der Nestlé-Führung. (Bild: Attac)

Im gerade angelaufenen Film «Quantum of Solace» kämpft James Bond gegen einen Bösewicht, der strategisch wichtige Wasserressourcen in Bolivien zu kontrollieren und zu privatisieren versucht. Ein hochaktueller Film, ganz nahe an der Realität.

Der Umweltschützer Franklin Frederick ist eine Art brasilianischer James Bond, der sich seit Jahren gegen die Privatisierung des Wassers engagiert, speziell gegen den Schweizer Nahrungsmittelkonzern Nestlé, der die Mineralquellen von São Lourenço im Bundesstaat Minas Gerais anzapfte, entmineralisierte und das Wasser in Flaschen unter dem Label «Pure Life» vermarktete. Jetzt ist publik geworden, dass Frederick eines der prominentesten Opfer des Spionageangriffs von Nestlé auf die globalisierungskritische Organisation Attac war. In den Jahren 2003 und 2004 hatte Securitas-Mitarbeiterin «Sara Meylan» eine Autorengruppe von Attac Waadt ausspioniert, die ein Nestlé-kritisches Buch verfasste. Die Ermittlungen im Verfahren gegen Securitas und Nestlé laufen.

Auch E-Mail-Verkehr überwacht?

Als Experte berät Frederick verschiedene Schweizer NGOs und hat auch der Buchautoren-Gruppe Informationen geliefert. Der Wasseraktivist, der zurzeit in der Schweiz weilt, ist überzeugt, dass die Spionin über ihn an Informationen über sein Wasserengagement in Brasilien herankommen wollte. Im 77-seitigen Spionageprotokoll, das Nestlé Schweiz einem Waadtländer Zivilgericht aushändigen musste, ist wiederholt von Fredericks Aktivitäten die Rede, namentlich von seinen Reisen in die Schweiz. Auch seine E-Mail-Adresse ist dort aufgeführt. Frederick möchte deshalb wissen, ob sein E-Mail-Verkehr überwacht worden ist und eventuell noch immer observiert wird.

Dank der Spionage wusste Nestlé etwa, dass Frederick Ende Januar 2004 am Open Forum in Davos teilnehmen würde. An jener Parallelveranstaltung zum WEF kündigte der damalige Nestlé-CEO Peter Brabeck überraschend an, er wolle die Fabrik bei den Quellen von São Lourenço schliessen und die Wasserpumpen abstellen. Auch Schweizer Zeitungen berichteten prominent darüber. Für Frederick war das rückblickend ein blosses Täuschungsmanöver. «Die Firma Nestlé wollte, dass man in der Schweiz keinen Druck mehr auf ihr brasilianisches Wassergeschäft ausübt.» In Wahrheit hatte Nestlé in jenen Tagen mit der Regierung von Minas Gerais ein Abkommen getroffen, um an den Quellen von São Lourenço bleiben zu können.

Erst 2006 zwang ein Gericht Nestlé, die Pumpen in São Lourenço abzustellen. Für Frederick ist damit der Fall nicht erledigt. Nestlé sei noch immer Besitzerin der Quellen, weshalb nicht ausgeschlossen sei, dass die Firma die Produktion unter anderem Label wieder aufnehmen könnte.

Beauftragt vom Ökumenischen Rat Christlicher Kirchen und der Bischofskonferenz Brasiliens, koordiniert Frederick das ökumenische Projekt «Wasser als Menschenrecht und als öffentliches Gut». Er beteiligte sich auch an der gleichnamigen Erklärung aus dem Jahr 2005. Darin erklären die brasilianischen Kirchen, gemeinsam mit dem Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund und der Schweizer Bischofskonferenz, alles zu tun, damit Wasser nicht privatisiert wird.

Exponenten der Kirche und von Entwicklungsorganisationen haben jetzt den Kirchenbund und die Bischofskonferenz brieflich aufgefordert, sich für Frederick einzusetzen und «bei der Firma Nestlé gegen die Überwachung öffentlich zu protestieren». Schliesslich sei der Autor der von ihnen unterzeichneten Wassererklärung zur Zielscheibe einer «Überwachungs- und Diffamierungskampagne» geworden. Das wiederum sei ein gängiges Mittel von Multis, um wichtige soziale Anliegen zu bekämpfen.

Nestlé-Chef giesst Öl ins Feuer

Doch der Kirchenbund ist befangen. Nicht nur zu Fredericks grosser Überraschung hat er an seiner Abgeordnetenversammlung im Juni ausgerechnet den Generaldirektor von Nestlé Schweiz, den Waadtländer Roland Decorvet, in den Stiftungsrat seines Hilfswerks Heks gewählt. Eingefädelt hatte die Wahl ein anderer Waadtländer, der liberale Nationalrat Claude Ruey, der den Heks-Stiftungsrat präsidiert. Die Proteste gegen die Wahl Decorvets sind bis heute nicht verstummt. Zumal der Pfarrerssohn gerade in einem Gespräch mit der «Reformierten Presse» Öl ins Feuer gegossen hat.

Im Interview macht der Nestlé-Schweiz-Chef Aussagen wie «Wir sind nicht für die Privatisierung von Wasser.» Oder: «Nestlé ist die beste Entwicklungsorganisation, die es gibt.» Des Weiteren warnt er die Kirchen, sich in die Politik einzumischen: «Ich bin allergisch auf politische Ratschläge aus kirchlichen Kreisen.» Auf die Kritik an seiner Wahl angesprochen, behauptet Decorvet: «Die Kritiker bestehen aus einer kleinen Gruppe von Kirchenleuten, die politisch extrem links sind und viel Lärm machen.»

Frederick ärgert sich über diese Abqualifizierung der Nestlé-Kritiker als Linksextreme, ist aber nicht überrascht von Decorvets Aussagen. Auch in Brasilien habe Nestlé immer wieder versucht, ihn und seine Helfer unglaubwürdig zu machen. Diese Kultur der Diffamierung passe ganz und gar nicht zur Dialogkultur der Kirchen. Womit Frederick auch den Interessenkonflikt anspricht, den der Kirchenbund mit der Wahl Decorvets in den Heks-Stiftungsrat heraufbeschworen hat.(Tages-Anzeiger)

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