dimanche 21 décembre 2008

Ein eindrücklicher Besuch im Bundeshaus


Sonntagskolumne Südostschweiz, 21. Dezember 2008


 
 

Ein eindrücklicher Besuch im Bundeshaus

Franklin Frederick sitzt im Cafe im Bundeshaus und wartet geduldig auf uns ParlamentarierInnen. Der brasilianische Umweltschützer und Berater der christlichen Kirchen Brasiliens und der Schweiz zum Thema Wasser als öffentliches Gut spricht perfekt französisch und englisch, versteht gut Deutsch. Er zeigt uns ein dickes Dossier: kopierte Auszüge aus dem Spionageprotokoll, das Nestlé Schweiz dem Waadtländer Gericht aushändigen musste. Nestlé hat sich über die Firma Securitas 2003 bis 2005 in die globalisierungskritische Organisation Attac eingeschleust und auch Franklin Frederick ausspioniert. Kein Wunder, Nestlé ist der weltgrösste Abfüller von Trinkwasser und hat grosses Interesse an seinen Aktivitäten rund um den Kampf gegen die Privatisierung von Wasser in Brasilien. Nach heftiger Kritik, auch aus der Schweiz, wurde Nestlé 2006 von einem Gericht in Sao Paulo gezwungen, seine Pumpen in einem illegal erworbenen Wasserpark abzustellen. Doch Franklin Frederick, der sanfte, aber beharrliche Kämpfer für die Selbstbestimmung der lokalen Bevölkerung über ihre natürlichen Ressourcen, ist besorgt über die Entwicklung des reformierten Hilfswerkes in der Schweiz.

Und er hat Grund dazu. Just im Juni 2008, als der Stiftungsrat des Hilfswerkes der evangelischen Kirchen der Schweiz (Heks) verkündete, dass der Generaldirektor von Nestlé Schweiz, Roland Decorvet neues Stiftungsratsmitglied geworden sei, machte das Westschweizer Fernsehen die Spionagetätigkeit von Nestlé öffentlich. Prominentes Opfer ist der Fachexperte von Heks in Brasilien: Franklin Frederick! Doch statt Heks ihr neues Stiftungsratsmitglied zur Rede stellt und verlangt, dass das ganze Ausmass der Spionage offengelegt wird, nimmt sie Decorvet gegen die aufkommende Kritik der Basis in Schutz. Er sei als Privatmann im Stiftungsrat und man solle doch an die christlichen Tugenden der Toleranz und Offenheit denken! Der Nestlédirektor im Kirchlichen Hilfswerk sagt denn auch in Interviews ganz klar, was er davon hält: Nestlé sei die beste Entwicklungsorganisation die es gibt, die Kritiker seien „politisch extrem links“ und überhaupt sei er allergisch auf politische Ratschläge aus kirchlichen Kreisen….

Der neue Stiftungsrat und sein Präsident haben diese Aussagen zwar in der Zwischenzeit relativiert, doch das Problem bleibt. Die Doppelrolle des Nestlédirektors geht höchstens für Nestlé selber auf. Es kann sein ethisches Image mit dem kirchlichen Partner aufwerten und Einfluss dort gewinnen, wo die hartnäckigsten Kritiker ihrer multinationalen forschen Geschäftspolitik sind. Denn was würde ich wohl als grüne Nationalrätin im Verwaltungsrat eines Autokonzerns tun? 

Für Heks, das angesehene kirchliche Hilfswerk, ist diese Wahl dagegen ein Problem. Für Heks, das gegen die Wasserprivatisierung kämpft, das lokale bäuerliche Initiativen unterstützt und sich für bessere Arbeitsbedingungen von, just, Nestlé-Mitarbeitenden in Kolumbien einsetzt, wird die Handlungsfreiheit eingeschränkt. Hilfswerke müssen sich immer auch politisch äussern können. Sie dürfen nicht durch wirtschaftliche Giganten abhängig werden. Gerade christliche Kirchen sollten sich immer für die Bedürfnisse der Schwächsten einsetzen. Die Starken können sich selbst helfen. 

Genau eine Diskussion über diese Punkte innerhalb der reformierten Kirchengemeinden wünscht sich auch Franklin Frederick. Bei seinem Besuch im Parlament erhielt er die Unterstützung von Parlamentsmitglieder für die Erklärung der Oekumenischen Kirchen Brasiliens und der Schweiz zum Wasser als Menschenrecht und als öffentliches Gut. Und noch etwas würde sich der mutige „Wasser-Aktivist“ wünschen: eine offizielle Entschuldigung von Nestlé für ihre illegalen und auch ihn persönlich verletzenden Spionagetätigkeiten.

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